Editorial
Liebe Clubkollegin, lieber Clubkollege
Die GV 2020 wird durch eine schriftliche
Abstimmung ersetzt, der Maneggerabend
auf nächstes Jahr verschoben – die Detailangaben
sind in den GV-Spezialseiten
dieses Bulletins zu finden. Diese Abweichung
vom normalen Ablauf passt zum
COVID-19-Jahr, in dem so vieles anders
ist als üblich. Dieses Jubiläumsjahr «50
Jahre SAC Sektion Manegg» dürfte deshalb
einen speziellen Platz finden in der
Clubgeschichte.
«Aus der Geschichte lernen wir, dass wir
aus der Geschichte nichts lernen». Einer
der vielen Sinn- oder je nach Einschätzung
Unsinnsprüche – sicher in einen Jubiläumsjahr
ein Hinweis, wie wir mit Erinnerungen
und Erfahrungen umgehen.
Tage vor einer Tour nehme ich mir jeweils
vor, mich über die Geologie des Tourengebietes
kundig zu machen. Ich habe es bis
jetzt selten geschafft. Mag sein, dass da das
Tourenportal des SAC zukünftig weiterhilft,
weil neu eine Gesteinszonenkarte zur
Verfügung steht. Da wird die Vielfalt der
Gesteine zu zwanzig Gesteinszonen mit
gleichartigen Eigenschaften zusammengefasst.
Es geht dabei vor allem um Felsqualität
und Klettereigenschaften.
Am Wegrand oder im freien Gelände liegen
oder stehen häufig kleinere und grössere
Steine oder Felsen. Oder die Felswand
des Gipfels, auf die wir gerade zulaufen, ist
sehr speziell verformt. Dies erinnert mich
wieder an den verpassten Blick in die Geologie-
Karte. Hin und wieder nehme ich
dann einen Stein, eher ein Steinchen, mit.
Auf diversen Touren diesen Sommer sind
so 13 Steine nach Zürich gekommen – alle
zusammen haben Platz auf einem A4-
Blatt.
Selbst in der Schwarz-Weiss-Fassung des
Bulletins ist die Vielfalt dieser Steine zu erahnen.
Neben den Farben geht es etwa um
Formen, Strukturen, Oberflächeneigenschaften
oder Dichte – es überrascht mich
regelmässig, wie unterschiedlich schwer
Steine gleicher Grösse sein können.
Steine, Geologie, manchmal auch Pflanzen
und Tiere: hier ersetzen offene Augen
zumindest teilweise die Vorbereitung zu
Hause, oder ich kann auf das Wissen der
TourenkollegInnen aufbauen. Offene Augen?
Dies heisst aber: wenn ich nach Steinen,
Pflanzen oder Tieren Ausschau halte,
muss ich stehen bleiben. Auch dann, wenn
ich die Objekte meines Interesses fotografisch
festhalte. Was immer wieder dazu
führt, dass mein Rückstand auf die Tourengruppe
unterwegs grösser und grösser
wird. Da bin ich auch nach Jahrzehnten
immer noch am Lernen: wie viel Zeit für
das Laufen, wie viel Zeit für das Schauen?
Dazu kommt: beim Laufen halten wir eigentlich
Ausschau nach Weiss-Rot-Weiss,
manchmal Weiss-Blau-Weiss. Und ausserhalb
der markierten Wegsysteme sind wir
auf andere optische Angaben angewiesen.
Weiss-Rot-Weiss, dies war auf den
Plakatwänden dieses Jahr zu sehen, hin
und wieder auch als bewegtes Bild. «Bergwandern
ist kein Spaziergang» ist auf diesen
Plakaten zu lesen. Mehr Infos finden
sich auf der Internet-Site sicher-bergwandern.
ch. Trittsicherheit, Schwindelfreiheit,
Fitness werden angesprochen. Hin und
wieder zeigt die Realität des Wanderns gerade
in den Bergen, dass eine solche Kampagne
tatsächlich nötig ist. «Eine schöne
Wanderung endet gesund zu Hause», dies
ist die Motivation dieser Kampagne. Uneingeschränkt
einverstanden, denn dies
gilt auch für das Tourenangebot unserer
Sektion! Ich meine, dass dies mit hoher
Priorität beachtet wird, auch wenn es gelegentlich
mit verschiedenen Ursachen
leider trotzdem zu Unfällen kommt.
Der Umgang mit Risiken gehört zum Leben,
damit auch zum Leben in den Alpen.
Das Lawinenrisikomanagement zählt in
der Schweiz und in Österreich zum immateriellen
UNESCO-Weltkulturerbe, ebenso
der Alpinismus zusammen mit Frankreich
und Italien.
50 Jahre SAC Manegg – bei einem Jubiläum
geht es immer auch um Traditionen.
«Sicher und genussvoll unterwegs in den
Bergen» zähle ich zu diesen Traditionen,
im Wissen darum, dass wir heute anders
unterwegs sind als vor 50 Jahren. Der
Bergsport entwickelt sich weiter. Die Erwartungen
an Hütten haben sich ebenfalls
verändert. Es wird spannend sein, wie bei
einem nächsten Jubiläum diese Entwicklungen
beurteilt werden, was dannzumal
zu den Traditionen gehören wird.
Lernen aus der Geschichte, aus den Traditionen.
Da sich unsere Welt verändert,
müssen wir uns in diversen Bereichen,
dazu gehört sicher der Alpinismus, ebenfalls
verändern, müssen uns an geänderte
Verhältnisse anpassen. Ein Hinweis dazu
gibt etwa das Klimaanpassungsprojekt
«Sicher Wandern 2040»! Als Sektion, als
Teil des SAC-Zentralverbandes dürfen wir
somit einen Beitrag leisten, dass auch zukünftig
der Alpinismus als Weltkulturerbe
sich weiterentwickelnd erhalten bleibt.
Dieses Editorial schreibe ich für
die 263. Ausgabe des Manegger Bulletins.
Dieses schöne Heft stellt mit Sicherheit
eine gewichtige Tradition in unserer Sektion
dar.
«Digitalisierung» ist derzeit eine gesellschaftlich
relevante Veränderung – auch
für die Sektion hat das Internet bereits
eine beachtliche Bedeutung. Versuchsweise
werden ab sofort nur noch drei statt wie
bis anhin vier Bulletins pro Jahr herausgegeben.
Nachdem die Stämme als eine
weitere analoge Form des Austausches zukünftig
wegfallen, interessiert uns, wie du
als Clubkollegin, als Clubkollege im Austausch
mit der Sektion sein möchtest.
Toni W. Püntener, Präsident
